Dr. Peter Meier
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Philosophieren über das Gehirns

In Athen machte man Meinungen über die Politik, in der Partystadt Zürich 2005 gibt man unter Teddybären seinen Meinungen über den Gehirnmenschen der Postmoderne zum Besten...

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Immerhin, beleuchtet, wer über die Arbeit anderer philosophiert, damit den Zeitgeist. Aber für eine erstrebenswerte Anmassung an die Zukunft, ist man erst qualifiziert, wenn man wirklichkeitsbezogen die  Arglist des Zeitgeistes überwindet; das wussten die Alten Eidgenossen, die postmodernen sind dafür zu arrogant...

Kontext: Zeitgeistgemäss ist der "Mensch" das, was die Leitwissenschaft#2 über ihn allgemein verbindlich definiert - so wie wir es im Lexikon dann später wiederfinden. Dabei lässt der Zeitgeist den Mensch als philosophisches Subjekt sich auf die von ihm beherrschbaren Objekte, wie den Körper, das Gehirn, dessen Systemmodell, früher die "Seele", den "Geist", das "Ich", das "Selbst" und den "Mind" berufen. Dabei ist er nun zur Beliebigkeit seiner Herrschaft über diese Objekte durch begrifflich gerechtfertigte Griffe, z.B. nach den Genen und Zuständen des Gehirns aufgerufen. Indem man entsprechende "ethische" Diskussionen psychopolitisch geschickt führt profiliert man sich als Zeitgeistsprecher:

Als passende Replik auf die einleitend erwähnten Vorwürfe von Hirnforscher Christof Koch behauptete der Philosoph Prof. Thomas Metzinger: "Hirnforscher können selbst nicht genau erklären, was Bewusstsein ist. Sie können einem Blinden niemals erklären, was Röte ist", veranschaulichte Thomas Metzinger in seiner Eröffnungsrede mit einem Beispiel die erkenntnis-theoretische Begrenztheit, unser Bewusstsein objektiv zu analysieren. Wer sagt denn, dass das Bewusstsein "objektiv", d.h. begriffs-philosophisch fassbar sein müsse - doch nur die sich solches anmassenden Philosophen. Sie haben ja noch nicht einmal gemerkt, dass selbst die Physik so nicht erfassbar ist. Sie erfordert nämlich ein ihrer Natur entsprechendes Systemdenken.

·        "Gewissensbisse erziehen zum Beissen", zitierte Alexander Borbély, Schlafforscher und Prorektor Forschung der Uni Zürich, den Philosophen Friedrich Nietzsche und liess dabei offen, welchem Lager er die Gewissensbisse nun zuordnete. Hauptsache man kann weiterhin seine Probleme im Schlaf der Philosophen lösen. Er warnte davor, neuste Forschungserkenntnisse voreilig auf alte Konzepte und Modelle anzuwenden, die möglicherweise bereits im Ansatz unzureichend sind - so als ob die alten Modelle des begriffsflachen Verstandes hinreichend wären...

·        Der Mediziner Borbély räumte ein, dass auch er einer Projektion erliegen könnte, denn: "Das Gewissen macht uns alle zu Egoisten", zitierte er Oscar Wilde. Von den Philosophen erhofft sich Borbély insbesondere eine Klärung der begrifflichen Strukturen. Doch grundsätzlich laute die postnormale rhetorischen Frage einer sich die eigene Kannibalisierung anmassenden Wissenschaft: "Können Philosophen eine Antwort bringen zu den wichtigen Fragen der Neurowissenschaften?"

·        Professorin Marie-Claude Hepp-Reymond vom Institut für Neuroinformatik von Uni und ETH betonte, dass es gerade in der gegenwärtigen Boom-Phase der Neurowissenschaften wichtig sei, eine Brücke zur Philosophie zu schlagen. Denn schliesslich sei die Philosophie die Mutter aller Wissenschaften. Sie begründete die Einladung des Hauptredners Thomas Metzinger damit, dass gerade Philosophen die Erkenntnisse der Neurowissenschaften kritisch beurteilen könnten. Zum Schluss kommentierte sie Metzingers bekanntestes Buch "Being No One": "Man muss es gelesen haben! ...aber es ist sehr dick."
 

Um sich selbst nicht auf die Äste eines Denkens heraus-lassen zu müssen, das sie zu denkfaul zum Verstehen sind, berufen sich Philosophen auf das Postulat ihrer Zunft, dass man den Begriff in der Anfangsphase der Forschung nicht allzu genau definieren sollte. Das ergebe sich mit der Zeit. Damit ist der mental-evolutionäre Ansatz der Philosophie auf den Punkt gebracht und sie als Schwatzkunst entlarvt.

Metzinger geht soweit zu sagen: "Der weisse Fleck auf der Wissenschafts-Landkarte zum Bewusstsein wird niemals geschlossen werden." Und dann profiliert er sich mit einem Buch zum derart anmassend verwässerten Thema indem er sich den Forschungs-resultaten anderer bedient und das Philosophieren darüber als Wissenschaft darstellt. 

·        Nach seinem Vortrag wir jedoch berichtet „man“, dass es Metzinger anhand zahlreicher psychiatrischer Krankheitsbilder und Phänomene gelungen sei, verschiedene Aspekte philosophischer Theorien über das Bewusstsein zu erklären. So können beispielsweise Astronauten, die sich lange im Weltraum aufhalten, das Gefühl für oben und unten verlieren. Der Grund sei der fehlende Input der Schwerkraft von aussen und damit werde die Selbst-Wahrnehmung instabil. Als Therapie dient den Astronauten ein kräftiger Schlag auf die Ferse, damit sich das Selbst-Modell wieder festigt und der Körper wieder weiss, wo unten ist.

·        Als weiteres Beispiel einer Fehlfunktion des "phänomenalen Selbst-Modells" erwähnte Metzinger die Phantomschmerzen an nicht mehr existierenden Gliedern, teilweise noch Jahrzehnte nach deren Amputation. Ein Therapie-Ansatz verwendet einen mit einem Spiegel und einem Guckloch ausgestatteten Kasten, in den man Arm und Armstumpf hinein steckt. Der Patient erhält nun die Aufgabe, seine Glieder synchron zu bewegen. Der Blick ins Guckloch zeigt ihm dank dem Spiegel ein Bild des amputierten Stumpfes, der genau seinen Bewegungen folgt. Dank des dadurch bewirkten Eindrucks der Kontrolle über das fehlende Glied entstand ein Selbst-Modell, das den Phantomschmerz verschwinden liess.

·        Ein ähnliches Experiment wurde letzten Sommer in der Fachzeitschrift "Nature" publiziert. Dabei wird die eine Hand einer Versuchsperson abgedeckt und mit synchronen Bewegungen sowohl über die abgedeckte, wie auch über eine sichtbar daneben liegende Gummihand gestreichelt. Nach rund einer Minute ist die Gummihand ins Selbst-Modell der Versuchsperson eingebaut. Wenn nun der Versuchsleiter überraschend mit einem Hammer auf die Gummihand schlägt, werden im Hirn der Versuchsperson dieselben Areale aktiviert, wie wenn auf seine verdeckte Hand geschlagen worden wäre.

 

Es folgten in Metzinger Ausführungen einige, gemäss https://www.ethlife.ch, komplexe philosophische Überlegungen zum "Selbst" und zum "Ich-Gefühl". Metzinger versuche damit, „auf eine sehr komplizierte Art zu erklären, was passiert, wenn sie morgens aufwachen und zu sich selbst kommen." Denn das wahrgenommene Selbst-Modell sei virtuell und werde nur aktiviert, wenn es gebraucht werde. Auf eine Publikumsfrage erklärte Metzinger am Beispiel des Greifens nach der Wasser-flasche: "Unser Bewusstsein liefert uns eine einfache Benutzeroberfläche fürs Überleben." Diese Benutzeroberfläche wurde über Jahrmillionen evolutiv auf den heutigen Zustand optimiert. Damit habe eigentlich niemand ein "Selbst", sondern nur die Wahrnehmung eines "Selbst-Erlebens", postulierte Metzinger zum Schluss, und ergänzte viel-nicht-sagend: "Aber wenn das 'Selbst' nur eine Illusion ist, wer ist es dann, der diese Illusion hat?"

Guido Kalberer meint im Tages-Anzeiger vom 27.5.2005: Das Totsagen der Philosophie ist wieder angesagt, und es mehren sich die Zeichen, dass es diesmal nicht nur ein rhetorisches Manöver ist.

Es stellt sich in der Tat die Frage, welche Daseinsberechtigung der Philosophie, dieser Wissenschaft vom Allgemeinen, in einer Welt zukommen soll, in der spezialisierte Einzelwissenschaften immer mehr Einsichten und Erkenntnisse zu Tage fordern. Haben Ökonomen nicht Fundierteres zum weltumspannenden Prozess der Globalisierung zu sagen als Intellektuelle? Und haben Biologen nicht Erhellenderes über die Natur des Menschen zu sagen als literarisch Gebildete? Was in der aktuell hochschäumenden Debatte um die Deutungshoheit des Menschen über den "Menschen" untergeht, ist nichts weniger als er, d.h. der reelle Mensch selbst. Denn er will die Welt nicht nur erklären, sondern auch verstehen können. Das zu ihrer Vorherrschaft zu verhindern, um ihn von sich abhängig zu machen, war und ist das Ziel der Philosophie, dem Bastard der Diktatur; sie diktiert mit ihren Begriffen!

Über die Gesetze der Physik lässt sich nicht nach durchgeführten und verstandenen Experimenten, als Abfrage der Natur, darüber hinaus nicht mehr vernünftig streiten. Über die Gesetze in einem Staat aber muss im Interesse des Weiterbestehens der Philosophie gestritten werden können, und zwar so, dass die Philosophie diesen Streit als Königsmacherin des Leitwissen-Schaffens immer und um jeden Preis, gewinnen kann. Im letzten Jahrhundert war der Preise die schrecklichen Weltkriege mit Völkermord und willkürlichen Terrorregime.

Dabei ist und bleibt, gerade im Leiden, der reelle Mensch immer auch ein Beobachter seiner selbst – und der philosophisch angehauchte Mensch tut das eben immer noch in einer Sprache, die solchen Beobachtungen mit ihrem verallgemeinernden Prinzip her gar nicht schaffen kann. Aus diesem Zirkel gibt es mit Wissenschaft#3 einen Ausweg – aber nicht auf der Basis der Philosophie! Verallgemeinern Sie einmal alle Naturgesetze – da kommt höchstens Alchemie und Schwarzkunst, meist nur Schwatzkunst heraus. Jeder Mensch ist also eher wie ein ihm eigenes Naturgesetz solange er lebt, als „Mensch“, ein blosser Begriff…    

 
 

 

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